3c – Fotografische Sozialisation durch Fotoforen und -magazine: Mit Mythen und Lügen gegen die grausame Vernunft

Seit es die Fotografie der Amateure gibt, kämpft sie mit ihrem Urwiderspruch: Sie benutzt eine Präzisionstechnik, die ursprünglich ein Produktionsmittel für professionelle Dokumentationsprozesse war zum privaten Bedarf oder Zeitvertreib. Zunächst ebenfalls dokumentarisch oder mit kreativem Ehrgeiz. Eine Aura von Zweckfreiheit, Nebensächlichkeit und damit sozialer Bedeutungslosigkeit umgibt die Amateurfotografie seit sie begann, mehr sein zu wollen als ein familiärer Dokumentationsprozess und das Wort „kreativ“ auftauchte; als der Amateur zum Liebhaber des Schönen und der art pour l’art wurde und sich selbst begann in Wettbewerb zu stellen mit den gewerblichen, gelernten Fotografen und ihren Bildern. Das geschah, als die Kamera durch ihre technische Weiterentwicklung plötzlich viel mehr konnte, als für die familiäre Dokumentation bis dahin erforderlich gewesen war, und als deshalb neue Anwendungsfelder erschlossen werden mussten, um die neuen Apparate auch für den Amateur reizvoll zum plausiblen Kauf zu machen.

So wenig der Amateur Profi ist, so wenig er überhaupt weiß von den Bedingungen dieser gewerblichen Tätigkeit, so sehr ist der Profi doch sein Leitbild geworden und der Maßstab für die eigene Beschäftigung mit der Fotografie, und so sehr ist es das explizite Ziel der Amateurfotografie geworden, vermeintlich professionelles Niveau zu erreichen, technisch wie gestaltend. Und das vorrangig deshalb, weil der Amateur seit Jahrzehnten von der Freizeitfotoindustrie in endloser Wiederholung des immer gleichen Versprechens immer wieder neu zum Endziel des vermeintlich professionellen Bildes gelockt wird.

Eine denkbar schlechte Grundlage für den Amateur schon bei der Motivation, ist sie doch von Beginn an durchdrungen vom Irrationalen und zielt in die falsche Richtung, hin zum gewerblichen Produktionsprozess, statt sich den privaten Freiräumen jenseits aller kommerziellen Zwänge zuzuwenden, zu denen nur der Amateur Zugang hat. Status statt Freiheit, eine schlechte Wahl, der sich die meisten Amateure vermutlich nicht bewusst sind, weil sie, wie die Mehrheit der Gesellschaft dies tut, glauben, was sie lesen und kaufen, was am cleversten angepriesen wird. Und die lieber im großen Haufen mitrennen, statt eigene Entscheidungen zu treffen. Das ist bequemer und vor allem sicherer, denn immerhin könnte sich herausstellen, man kann die Freiräume gar nicht kreativ füllen, die einem als Amateur offenstehen.

Irrationale Grundlagen, falsche Blickrichtung, Nachahmung statt Kreativität oder persönlichem Ausdruck, das ist nur das Fundament, auf dem in der Amateurfotografie ein ideologischer Überbau aus Mythen, Lügen, Falsch- und Desinformation und technischer Esoterik geschaffen wurde, der das Geschäft am Brummen hält. In den folgenden Kapiteln soll auf diese geistigen Grundlagen und auf die Beschwörungsformeln einer Glaubensgemeinschaft näher eingegangen werden, die sich mehrheitlich auf die Nachahmung verlegt hat, in endloser Wiederholung, mit immer wieder neuem, immer besseren Handwerkszeug, und deren Bilder dennoch nicht besser, vielfach noch schlechter geworden sind als sie es je waren, trotz unaufhörlichem, unaufhaltbarem technischem Fortschritt.