4f – Digitale Technik als Verblödungsfaktor: Die neue Hardware und der Verlust von fotografischem Grundwissen im digitalen Zeitalter.

Bevor ich zum Thema komme, zunächst einen Gruß an den geistreichen Kollegen, der die Vermutung anstellte, in diesem Blog habe anscheinend eine weite Mehrheit der Amateure ihre Mohammed-Karikaturen gefunden. Das ist witzig, weil so überaus zutreffend, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur, dass wir unter Amateuren religiös überhöhte Glaubenssätze finden, wir finden auch Unduldsamkeit und Denk- und Redeverbote, im übelsten Fall in besonders heuchlerischer Weise verbrämt mit der Forderung nach mehr Toleranz. Der übliche rekursive Billigtrick, genannt Retourkutsche, mit dem man in manchen Kreisen versucht, alles Systemkritische, die eigene Position in Frage stellende sofort zu disqualifizieren, um nicht darauf eingehen zu müssen.

Wobei dies schon eine der anspruchvolleren Arten der Abwimmelei ist. Die schlichteren Gemüter wenden sich gerne Form oder Stil zu, und wer sein Leben mit nur zwei Gehirnzellen bestreiten muss (eine zur Reserve), der schreibt nur „Gähn!“ oder schreit „Psychopath!“.

Der Mensch jedenfalls , der heißt wie mein Lieblingsobjektiv, ist ein einsames Licht in der allgemeinen Dunkelheit, in der eine große Mehrheit den Arsch nicht vom Ellenbogen unterscheiden kann.

Zum Thema:

Der systembedingte Qualitätsverslust, den Produkte dem angeblichen Fortschritt gleich in welchem Sektor industrieller Produktion schulden, wurde bereits erwähnt. Qualitätsverlust bedeutet Entwertung, und diese hat die „moderne“ Fotografie inzwischen enorm verändert.

Die „moderne“ Fotografie des digitalen Instantbildes im Verbreitungsraum des WWW konnte von diesem gesetzmäßigen Zusammenhang nicht verschont bleiben. Sie hat erhebliche Verluste erlitten in einem Maß, das ihren Fortbestand in der alten Bedeutung des Begriffes „Fotografie“ in Frage stellt.
Jeder fotografiert jetzt alles und überall, jederzeit. Also ist alles jetzt zum Bild geworden, und wenn alles Bild ist, ist das Bild nichts mehr. Neben dem diesem rein fotografischen Wert eines Bildes, egal ob das Einmalbild zur Selbstvergewisserung aus dem Smartphone stammt oder die millionste Kopie des Eiffelturms aus der Hand des fotobegeisterten Freizeitkünstlers ist, hat sich auch ganz konkret sein professioneller Geldwert verändert: Die professionellen Fotografen, so sie noch Geld verdienen, können ein Lied davon singen.

Das Equipment, heute besser die Hardware zu nennen, ist auch nichts mehr wert. Schon beim Kauf nur die Hälfte. Und bald danach fast gar nicht mehr. Aber trotzdem teuer.

Die Kameras:
In einem Metier, wo der Freizeitknipser vor kurzem noch erwarten konnte , dass seine Kamera vierzig oder fünfzig Jahre durchhält und zwanzigjähriges Qualitätsmaterial solide Gebrauchtpreise erzielte, sind die Standzeiten heute realistischerweise auf fünf Jahre zu kalkulieren und im Schadensfall kann man nicht erwarten, dass die Reparaturkosten noch wirtschaftlich darstellbar sind. Extrem hart triff das die Leica Gemeinde, die bisher erwarten konnte, mit der vom Vater geerbten sechzigjährigen M3 ad infinitum fotografieren zu können, weil alles reparierbar war und die Teile dafür immer verfügbar waren. Sie, die in Ewigkeiten dachten und rechneten, müssen heute unter Umständen eine M8 verschrotten, weil ein defektes Display nicht mehr vom bankrotten Zulieferer zu beschaffen ist. Ein in der Leica-Welt bis dahin nicht vorstellbarer Vorgang.

Grundsätzlich hat die Digitalisierung – in allen Produktbereichen – mit der damit einhergehenden Entwicklung zur „Blackbox“ den Herstellern neue Macht verliehen, wenn es darum geht, Kunden im eigenen Interesse zu steuern. Nur ein Stichwort von etlichen ist Planned Obsolence, was nicht weniger meint als die präzise auf den Zeitpunkt X konstruierbare Lebensdauer. Das Blackbox System zeigt sich auch bei Fehlerdiagnose und Reparaturaufwand als reine Glaubenssache. Eine Wahl hat man schlussendlich aber nie. Egal ob Waschmaschine, Auto oder Kamera. Alles das sind heute geschlossene, proprietäre Systeme, über deren Innenleben nur die etwas wissen, die auch etwas wissen sollen: Die Hersteller. Dagegen erscheint ein PC als ein offenes System von geradezu altertümlicher Transparenz. Am besten macht man’s wie man es auch beim Arzt macht: Man holt eine zweite Meinung ein.
Das alles macht den Umgang mit moderner Kameratechnik zuweilen ärgerlicher und teurer, als er es je war. Allein schon der ganze Firmware Heckmeck lässt erkennen, was die Funktionalität einer digitalen Kamera primär bestimmt: Software ist die Grundlage der Featuritis. Was den Herstellern weitreichendes, kostengünstiges „Mopfen“ (Modellpflege) erlaubt, ein geniales Mittel, um den rasenden Preisverfall der modernen Knipsen im Haifischbecken des Wettbewerbs zu neutralisieren. Kaum sinkt der Preis, wird gemopft, neue Version, neuer Preis. Allerdings gibt es inzwischen schon etliche nicht ganz Doofe, die lieber eine der immer auf dem Markt befindlichen Vorversionen zum halben Preis kaufen, bzw. auf ein vermeintliches „Upgrade“ verzichten und warten, bis ihr aktuelle Kamera vom plötzlichen Elektroniktod ereilt wird, wie das ihr Schicksal ist.

Mechanisch und von der Gesamtbauqualität her werden die Kameras im hitzigen Preiskampf auch immer schlechter. Defekte Verschlüsse nach 3000 Auslösungen bei Kameras um € 2400, die angeblich für 150000 Auslösungen dimensioniert wurden, sind keine Seltenheit, billige Bajonette, labiles Plastik, Prismen ohne Glas, popelige dunkle Sucher und andere zahlreiche Sparmaßnahmen sorgen für Ärger. Die Empfindlichkeit der Fotocomputer gegen witterungsbedingte Einflüsse wurde lange ignoriert. Wenn die Kiste nass wurde, war sie hin und fertig. Buy new! Jetzt wird frenetisch gefeiert, dass Kameras und Objektive gedichtet sind, was für einen Computer im Außeneinsatz von Anfang an Voraussetzung hätte sein müssen.
Der ganze Hype um die neuesten, die besten Kameras ist aber nicht nur in sich sinnfrei, er erzeugt auch einen Nebeneffekt der Verblödung durch Marketingkonzepte: Das Interesse verlagert sich um ein Vielfaches stärker als je zuvor weg von den Objektiven auf die Kameras. Die Foren sind voll von der Frage „Die oder die?? Was soll ich bloß machen?? Hilfe!“ und voll von Verblödeten, die sich in der Welt der Featuritis so gut auskennen, als hätten sie die Produktbeschreibungen allesamt auswendig gelernt. Ab und zu stellt auch mal einer die Frage, was er sich kaufen soll, er wolle jetzt was Besseres als den „Kit-Scherben“. Weniger wohl, weil er echte Defizite tatsächlich sehen würde, eher im Glauben es sei jetzt an der Zeit, irgend einen anderen Scherben auf die Plastikknipse zu schrauben, die andere Knipser erkennen lässt, man ist kein Anfänger mehr.

Was folgt ist eine meist lustlose und kurze Diskussion über die Möglichkeiten bei der Auswahl, selten ein qualifiziertes, auf eigener Erfahrung basierendes Urteil. Im schlimmsten Fall präsentiert dann noch einer ein grausiges JPEG aus seinem Portfolio, dann weiß man, der kapiert garantiert nichts. Kaum einer fragt beim Kauf noch, welche Marke hat das interessanteste und qualitativ beste Objektivangebot für seinen Bedarf (nach dem Bedarf fragt eh kein Anfänger), was bei einem Systemkauf eigentlich entscheidend sein sollte. Denn es prüfe, wer sich ewig bindet. Die Frage, ob der Billigscherben vor der Superkamera überhaupt noch auf den Superchip bringen kann, was der alles sehen könnte, wenn man ihn ließe, scheint verdrängt zu sein. Kaum einer käme heute auf die Idee, sich eine Kamera für € 450 zu kaufen und ein Objektiv für € 800 dazu, obwohl dies eindeutig bessere Ergebnisse liefern kann als umgekehrt. So etwas tun heute nur noch Außenseiter, die lange gedient haben. Da sich das Interesse auf die Kameras verlagert, verlagert sich also auch das Budget des Käufers dorthin. Kommerzielle Verblödung mit Folgen

Die Objektive:
Sie waren einst allein entscheidend für die Bildqualität und hielten mindestens zwei Ewigkeiten. Weicher Schneckengang, „saugend ziehend“ , in Perfektion bei den RF Objektiven von Leica, Zeiss und Voigtländer: Vorbei. Heute wird in der Kamera dazu gerechnet, was bei der Konstruktion der Objektive weggelassen wurde. Plastikrohre mit Plastiklinsen, in denen zitternde Elemente versuchen, gegen das Getattere der Fotografen anzutattern, das ist die neue Welt. Die Qualitätsunterschiede zwischen Zoom und Primes werden geringer, was daran liegt, dass die Zooms etwas besser und die Primes viel schlechter geworden sind. Ein Schärfeabfall von bis zu 30% zu den Rändern hin ist nichts Besonderes, um zwei Blenden abgedunkelte Ecken und eine gepflegte CA auch nicht. Je größer die Öffnungen, desto massiver die Defizite, so wie früher auch, nur eben heute noch deutlicher. Wirklich gute Glaswaren, also alles, was zumindest der Leistung der Chips gerecht wird, sind gar nicht so leicht zu finden. Und die sind sehr teuer geworden, manche geradezu grotesk teuer.

Ansonsten sind die Objektive ebenfalls ein Blackbox, und wenn sie mal abartige Reaktionen zeigen, kann man nur mutmaßen. Glauben muss man, was der Reparaturservice sagt. Und bezahlen auch. Das muss man heute nicht einmal mehr beim Arzt, hier ist es üblich. Ein Objektiv eines Fremdherstellers sollte man sich gar nicht mehr zumuten. Nicht nur, weil dessen Serienstreuung noch miserabler ist als bei den heutigen Originalen, sondern weil man sich dann auch das ganze Theater mit den Tricks erspart, mit denen es die Hersteller so leicht haben, Inkompatibilitäten vorzutäuschen. Außerdem verschleißen alle modernen SLR Objektive recht schnell, die Zooms verdrecken gerne innen und bekommen Kontaktprobleme. Der AF wird ungenau und/oder lahm, es gibt Backfokus- und Frontfokusprobleme, kurz ein modernes stabilisiertes AF Zoom ist eine potentielle Quelle vieler neuartiger Überraschungen und man ist froh, wenn man eins hat, das in Ordnung ist. Je komplexer das System, desto größer die Möglichkeit der seriellen Streuung. Die Rückseite des Fortschritts. Wer nichts anderes kennt, nimmt es als gegeben hin. Wer allerdings noch weiß, wie anders das alles einmal war und wie es auch heute noch sein könnte, sieht hier genau den Qualitätsverlust, der immer dem angeblichen Fortschritt geschuldet ist. Nichts gegen Zooms übrigens, oberhalb von 90 mm sind sie die beste Lösung, und je länger die Brennweiten, desto besser wird so ein Ding. Dass man sich aber ein 16-400 mm Universaldingsbums gleich von vorneherein kiloschwer an die Kamera hängt, nach der Devise „Immer bereit!“ ist auch wieder kommerzielle Verblödung, durch die Hersteller angetrieben. Jeder mit einigen Jahren praktischer Erfahrung weiß, dass die Rohre nicht mal als Reiseobjektive taugen, ganz einfach schon deshalb, weil sie dafür viel zu groß und zu schwer sind. Trotzdem werden sie den Anfänger immer noch erfolgreich angedreht als „universell“, wobei dieser Begriff in den Bereich von Kompaktkameras gehört mit fest angebautem Zoom.

Was direkt zum Thema praktisches Wissen und seine modernen Defizite führt, einem Feld, das in Zeiten der systematischen kommerziellen Verblödung schwerste Verwüstungen erlitten hat. Denn die beschriebene Entwicklung hatte auch Wirkung auf die handwerkliche Basis der Freizeitfotografie. Sie scheint umso maroder zu werden, je jünger die Amateure sind. Das ist den Fragestellungen zu entnehmen, mit denen sich jüngere Semester ratsuchend in Foren an die Öffentlichkeit wenden. Ich verzichte hier auf authentische Zitate zum Totlachen oder Fremdschämen. Allerdings, auch die selbsternannten Experten bieten zuweilen ein jämmerliches Schauspiel. Beispielsweise dann, wenn ein User ein Beispielbild mit Bildfehler präsentiert und nach der Ursache fragt. Jedes Kind kann sehen, hier geht es um Dezentrierung, irgendwelche zur Fassungsachse verkippten Linsen unter den 25 Scherben im Plastikzoomrohr sind schuld. Schnelle Antwort und fertig? Weit gefehlt! Jetzt geht unter den Photonenzählern erstmal eine lange Diskussion los über die Versuchsaufbauten, mit denen man den Fehler isolieren könne und wilde Vermutungen der allgemeinen Art werden angestellt. Und irgendwann kommt dann noch einer, der unbedingt loswerden muss, dass die besagte Marke eh nur Gelumpe baue. Optische Kompetenz? Verschwindet langsam aber sicher.

Jüngstes Beispiel für ein modernes Objektivangebot ist das neue Canon f 4/11-24 Zoom. An sich schon ein fragwürdiges Design, bestenfalls als sinnvoll vorstellbar bei äußerst seltenen Anwendungsfällen, aber auch da nicht zwingend, hat drei aspärische Elemente, von denen nur eins als aus Glas geschliffen angegeben ist. Und die anderen beiden? Pressglas? Oder Pressplastik?
Die Reaktionen sind symptomatisch. Die, die früher, als das noch Billigtechnik war, Zooms der Fremdhersteller höhnisch als Pressglasscherben belächelt haben, die finden jetzt, wo das Zeug plötzlich „modern“ wird und in die Edelklasse einzieht, zu einem ganz pragmatischen Standpunkt und meinen ganz lässig, entscheidend sei, was hinten rauskommt. Also hat Dr. Kohls Philosophie der Scheiße jetzt auch die verblödeten Konsumzombies erreicht.
In der Tat wird es ein langer brauner Strom sein, der aus diesem Scherben hinten herauskommt, denn zaubern kann auch Canon nicht. Viel glauben das allerdings. Man wird sich also begeistert einig darüber werden, wie relativ wenig Scheiße doch aus dem komplizierten Ding erstaunlicherweise hinten rauskommt und welcher Fortschritt das ist. Über sinnvolle Anwendungsgebiete braucht sich Canon auch keine Gedanken zu machen, denn darüber machen sich auch nur ganz wenige der Käufer Gedanken. Der Rest kauft es, weil er alles Teure kauft, macht eine Weile dummes Zeug damit und stellt es dann in den Schrank. Dort können es dann die Fotokumpels bewundern, wenn sie zum monatlichen Kaffeeklatsch erscheinen. Irgendwann wird ein Nachfolgemodell kommen und die Tester werden es loben, weil es die doch ziemlich heftigen Probleme des Vorgängers angeblich ausmerze. Dann ist der Vorgänger nicht mehr viel wert und wird am Ende Opfer der bescheuerten Schnäppchenjäger in der Bucht, die alles Teure gerne kaufen, wenn es billig geworden ist. Kommerzielle Verblödung, und die Industrie lebt gut davon. Sie kennt ihre Kunden besser als die sich selbst.

Licht:
Tatsächlich ist den Fragen in Foren zu entnehmen dass zum Beispiel der ganze Komplex Licht inzwischen in seiner geistigen Durchdringung reduziert ist auf die ISO Einstellung. Ein besonders dramatischer Verfall von fotografischem Wissen, denn das Licht ist alles, und alles andere ist nichts. Jeder kennt den Spruch, den vorzugsweise die Simple Minds gerne platzieren, die nicht wissen was er meint: Der Amateur sorgt sich um seine Ausrüstung, der Profi ums Licht. Dieser Spruch kennzeichnet besser weil umfassender als jeder andere den Unterschied zwischen gekonnt und gewollt, zwischen fotografischer Kompetenz und Technikwahn und zwischen Zeitvertreib und Broterwerb.

Weithin verloren gegangen scheint das Allgemeinwissen, dass Licht entscheidend ist für das gelingen einer Bildidee, und vor allem, dass Licht nur sekundär etwas mit Helligkeit zu tun hat!

So rennen jetzt Figuren in den Foren herum, die sich durch das Lesen sämtlicher verfügbarer Testseiten zum Elektroingenieur h.c. herangebildet haben, und zum Beispiel verkünden, dass es, vergrößere man linear proportional ein bestehendes Verhältnis von Öffnungsgröße und Medienfläche, auf der vergrößerten Fläche immer heller sei, weil durch die größere Öffnung „mehr Licht“ falle.
Es ging dabei, so mancher ahnt es schon, um „Vollformat“ und warum es „besser“ sei. Als alles andere halt. Ob man es glaubt oder nicht, aber einer dieser Schulabbrecher behauptete, Techniker zu sein. Man kennt den Terminus ja auch aus dem Bereich des Geschlechtsverkehrs und auf vergleichbarem Level muss dieser Abschluss als Techniker wohl angesiedelt gewesen sein.

Es sind Situationen wie diese (und sie sind nicht selten!) wo man verblüfft zur Kenntnis nehmen muss, was doch für physikalische Superidioten unter den Wortführern der Technikdiskussionen sind. Und diese Einschätzung verstärkt sich, wenn man sieht, dass sie sich auch nicht davon überzeugen lassen, dass ihr Geschwätz physikalische Comedy ist und sonst nichts. Spätestens an diesem Punkt weiß man, da hilft kein Gott noch Kaiser mehr.

Verloren auch das Wissen um den Zusammenhang zwischen Licht und Farbe, und dass man für bestimmte Farben auch das richtige Licht braucht. Wer fährt heute noch fünf Mal an einen Ort, bis er das richtige Licht antrifft?
Was heißt hierarchiefreie Beleuchtung? Wozu brauch man eine solche, wozu nicht?
Was ist Streulicht, was sind seine Quellen? Wieso wissen so viele nicht mehr, wozu eine Gegenlichtblende gut ist?
Warum wissen die „Fortgeschrittenen“ nicht mehr, dass die eigentlich Streulichtblende heißt und warum sie so heißt und dass diese Bezeichnung allein Auskunft gibt über ihre Wichtigkeit? Und warum behaupten manche von ihnen, man brauche so was nicht mehr, wegen der heute so perfekten Vergütung? Weil sie nicht in der Lage sind, die Wirkung zu sehen?

Tonwerte und Kontrastumfang:
Wieso sagt heute dauernd irgendeiner Tonung statt Tonalität? Und kennt beide Bedeutungen nicht?
Warum ist Dynamik nur noch für wenige Wissende heute ein zentrales,  sogar kaufentscheidendes Leistungsmerkmal? Etwa, weil es heute HDR gibt??
Warum stören sich so viele nicht an den schrecklichen Tonwertabrissen, den zeichnungsfreien Tiefen und grellweiß ausgebrannten Spitzlichtern in ihren so stolz präsentierten Bildern? Sind sie an diesen fotografischen Bankrott im Sinne von „ishaltso“ gewöhnt? Wird er inzwischen als „normal“ gehandelt?
Wie kam es, dass heute viele Leute der gespenstisch irren Meinung sind, HDR sei ein „modernes Zonensystem“?

Wieso sagt man „Entwicklung“ zum Postprocessing, mit dem man mit mehr oder weniger Aufwand versucht, aus dem bereits manipulierten Output der Kamera etwas hinzubekommen, was halbwegs appetitlich aussieht? Es gibt kein Negativ mehr, und entwickelt wird auch nichts mehr. Händische Manipulation ist keine Entwicklung.

Wie kann es sein dass heute noch Diskussionen über OOC (out of the camera) geführt werden? Was soll das denn sein?? Out of the raw engine? Out of the jpeg engine? Dieser Begriff OOC bezog sich einst auf den unterlassenen Beschnitt, was damit dokumentiert wurde, dass die Filmmaske mitkopiert wurde. Was soll dieser Quatsch heute, im Zeitalter des Bildes ohne Ursprung? Verstehen die Fragesteller nicht, wie ein digitales Bild in der Kamera entsteht und was sein neues Wesen ist, verglichen mit dem der analogen Fotografie?

Optik und Gestaltung:
Warum glauben immer mehr, Distanz sei lediglich eine Frage der Brennweite? Sitzen alle im Rollstuhl?
Warum leben so viele in der Angst, sie könnten nicht genug Brennweite haben? Sind alle Naturfotografen und suchen den Eisvogel?
Warum denken immer mehr, ein Weitwinkel sei dafür gut, möglichst viel „draufzubekommen“?
Warum spielt die spezifische bildgestaltende Wirkung einer Brennweite immer weniger eine Rolle? Von Zooms enthirnt?
Warum weiß kaum einer mehr um den Unterschied zwischen Verzeichnung, Verzerrung und Bildfeldwölbung?
Warum weiß kaum noch einer, was Retrofokus bedeutet und was rektilinear beim Superweitwinkel bedeutet?

Selektive Fotografie:
Wie kam die Meinung auf, sie sei nur mit Vollformat möglich?
Warum kam diese Meinung erst auf, als VF-Chips für breitere Kreise erschwinglich wurden?
Warum verblödet die selektive Fotografie immer mehr zur technischen Demonstration der Voll-Angeberkaste?
Warum wissen immer weniger Leute, wie sie bildwirksam einzusetzen ist und wie auf keinen Fall?
Warum glauben immer mehr, Bokeh sei einfach alles das, was in einem Bild unscharf abgebildet ist?
Warum nennen immer mehr einen verquirlten Hintergrund „ein schönes Bokeh“?
Warum wissen immer weniger Alleswisser um den Schärfeübergang als optisch entscheidendes Qualitätsmerkmal?

Basics:
Wie konnte sich die völlig idiotische Meinung weithin verbreiten, ein Stativ brauche man heute nicht mehr? Weil jetzt alles stabilisiert ist?
Wie die Meinung, auch einen Belichtungsmesser brauche man nicht mehr? Ist Lichtmessung aus der Mode?? Und die Bestimmung des Kontrastumfangs auch gleich? Glaubt man an ISO 25000 und die zwei Millionen Messfelder der Superkameras ?
Warum ist der fill-in-flash nur noch wenigen ein Begriff und der Einbaublitz gilt als „nicht professionell“? Weil die echten Profis keinen brauchen?
Warum ist manuelles Fokussieren jetzt out of style, obwohl die diversen AF Systeme trotz aufwändigster Technik bis heute nicht mehr als fünfundsiebzig Prozent Trefferquote erreichen und bei Nacht noch weniger?
Warum ist die Qualität der optischen Sucher derart aus dem Fokus der Dauertester geraten? Sind sie einheitlich zu armselig, um dazu eine differenzierende Meinung zu äußern?
Warum ist die Qualität der JPEG Farbdarstellung, wenn überhaupt, nur noch einen Halbsatz wert, wenn alle Pixel gepeept sind in den Tests? Weil der ernsthafte Amateur sowieso alles in RAW schießt und hinterher stundenlang sein Bild „entwickelt“?

Die Liste der Fragen könnte ad nauseam fortgeführt werden, aber kotzen soll doch nun wirklich keiner. Manche regen sich ohnehin schon viel zu viel auf beim Lesen, da habe ich oft ein schlechtes Gewissen wegen ihrer sicherlich extremen Blutdruckwerte…..

Und ganz zuletzt die über allem Bilderschwachsinn schwebende Frage: Wie konnte eigentlich die Möglichkeit in Vergessenheit geraten, dass der Amateur immer die Möglichkeit hat, ein Bild auch NICHT zu machen, wenn es absehbar ungenießbar sein wird? Hat die hypermoderne Technik dies Option obsolet gemacht? Sitzt die Verblödung des „Bilderjägers“ und seiner Trophäenjagd schon im Knochenmark? Glaubt er an die Kamera, die immer kann? Alles? Oder liegt es an der besonderen Fähigkeit vieler Technikspinner, auch den größten Mist herumzuzeigen, um bei Kritik dann technisch zu relativieren? „Was erwartest Du (Depp) denn von ISO 100000??“
Das Relativieren ist überhaupt die wichtigste Grundlage für die ganzen Technikdiskussionen, denn es geht dabei nie darum, ob etwas gut (gut genug relativ zur Anforderung) ist, sondern ob das eine besser ist als das andere, die ewige Frage überall im Bereich des Konsums, die wie ein residenter Virus für stete Unzufriedenheit sorgt. Das Bessere, das ist the pain in the ass, der den Konsumzombie nicht schlafen lässt. Immer gibt es einen, der was Besseres hat: Besseres Haus, Auto, Urlaubshotel, Ehefrau, ganz egal. Das Bessere, das der andere schon hat, treibt sie vor sich her bis sie heulen vor Unzufriedenheit. Und so werden wir immer unzufriedener, je reicher wir werden.

Die Antwort auf  die Fragen zum Verlust von fotografischem Handwerkswissen weist auf die gleiche Ursache hin. Es sind die immer weiter ausufernden Versprechen der Hersteller auf der Suche nach „Aufsteigern“ von der Kompaktknipse in die „Königklasse“, wie es jüngst in einem, vermutlich vom Fotohandel vorfabrizierten Bericht in der FAZ zu einer Messe, formuliert wurde. Versprechen, die suggerieren, jeder könne jetzt superkreative Bilder machen, ohne das Geringste zu wissen, zu können und zu verstehen.

Es ist diese Idee des angeblich möglichen Einstiegs ganz oben in der Oberklasse der fotografischen Produktion, die verantwortlich für alle der oben aufgeführten Defizite und Missverständnisse ist. Ohne theoretischen Unterbau gibt es auch heute noch keine anspruchsvolle Fotografie, nicht einmal durchschnittliches Handwerk. Und so ist die typische Entwicklung der Einsteiger heute die von oben nach unten, statt umgekehrt. Dies ist eine schmerzliche Entwicklung, in der die Enttäuschung der einzige Lehrmeister ist, und zu der die immerwährende verzweifelte Suche nach den Gründen gehört, warum die neuen Bilder noch schlechter aussehen als die mit der alten automatischen Taschenknipse geknipsten. Die Theoriefeindlichkeit , die von den Herstellern zu einer neuen Kultur demokratischer Schaffensfreiheit stilisiert wird, hat eben ihren Preis.

Da in den letzen zehn Jahren immer mehr Knipser in dieser Weise aufgestiegen sind in die „Königsklasse“ und immer mehr auf dem langen Weg von ganz oben nach ganz unten sind, hinunter zu den Basics, hat dies zu einer Erosion des fotografischen Grundwissens geführt. Die Qualität der zahlreichen Anfängerfragen von Besitzern der Königsklasse demonstrieren das zuweilen in erheiternder, zuweilen in deprimierender und manchmal auch in schockierender, kaum glaublicher Weise. Zu Unrecht allerdings würde man sie schelten, denn sie sind Opfer einer Täuschung, mit der Geld gemacht wird. Eine langfristige Strategie; man kann die Opfer zwei Jahrzehnte und mehr melken im Systemgeschäft. Jeder Zukauf festigt die Bindung.

Die Zahl derer, die zu Recht von sich sagen können, die oben genannten Defizite im fotografischen Grundwissen betreffen sie allesamt nicht, ist inzwischen eine hauchdünne Oberschicht geworden im Mainstream der Amateure. Und in dieser Oberschicht halten, wen wundert’s, die älteren Jahrgänge mit ausgedehnter analoger Praxis die Mehrheit. Und das wiederum liegt daran, dass sie in einer Zeit eingestiegen sind, als die Idee systematischen Lernens, heute sowieso allgemein recht unpopulär, noch nicht den finalen Todesstoß von DSDS und von den Herstellern der hyperintelligenten fotografierenden Computern erhalten hatte. Was sie in die Lage versetzt, noch vergleichende Betrachtungen anstellen zu können. Mit deprimierendem Ergebnis: Die Verödung und die Verblödung schreitet voran.
Ganz aktuell jetzt mit -was auch sonst- 50 MP-Kameras, die zu nichts gut aber das Neueste sind. Was allein auch ihren Absatz sichert, obwohl sie nicht mal eine Wechselmattscheibe haben. Für € 3700.- wohlgemerkt. Weil die, die dieses Ding kaufen, ohnehin viel zu doof sind, manuell zu fokussieren?

Zwei Argumentationen fand ich, die darauf hinweisen, wer auch diese Neuheit dringend braucht.

Die 5Ds ist eine Kamera für einen bestimmten Einsatzbereich!
Klar gibt es auch immer wieder Leute die einen Land Rover fahren obwohl sie sich nur auf der Straße bewegen….jeder der einen solchen kauft weiß aber welche Nach- und welche Vorteile ein solcher hat….Fahrzeuge für einen speziellen Einsatzzweck.

Was übersetzt heißt: ich fahre mit dem fürs Gelände gebauten Auto in der Stadt herum und das ist deshalb OK, weil ich ja weiß, wofür das Auto eigentlich gebaut wurde.

Und:
Wer seine Bilder erfolgreich verkaufen kann tut sich mit mehr Auflösung einfach leichter, das ist Fakt. Ob die Auflösung tatsächlich gebraucht wird spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Das bedeutet für mich, schon deswegen werde ich mir eine der beiden (5Ds / 5Ds R) kaufen müssen!
Merke: „Müssen!“ Er muss, und ich glaub’s ihm. Ansonsten nichts weiter als der sprachlich vermummte Schwachsinn „Mehr ist immer besser“, der den Schreiber im Profigewand als Amateur entlarvt. Eine prächtige akrobatische Vorführung eines der vielen neuen angeblichen Berufsfotografen, wie man bei all den rhetorischen und logischen Verbiegungen um die triste Wahrheit herum (HABBEWOLLÄH!!) mit dem Kopf im eigenen Arsch landet.