5c – Die Umgebungsbedingungen zeitgenössischer Amateurfotografie: Die Nachahmung als altes Leitprinzip im Zeitalter der Mehrheitsästhetik

Dass der Hobbyfotograf des Mainstream (Amateur erscheint mir zunehmend deplatziert, denn dieser Begriff hat etwas mit der Liebe zum fotografischen Arbeiten zu tun) zur Nachahmung oder sogar zum Nachfotografieren neigt, wenn er sich auf dem weiten Feld der Art pour l’Art beweisen möchte, ist kein neues Phänomen. Karl Valentins Feststellung, alles sei bereits fotografiert, aber eben noch nicht von jedem, weist darauf hin. Dass dieses analytisch brillante Bonmot inzwischen zur Plattitüde verkommen ist, weil es im Netz jetzt regelmäßig von den dümmsten Mäulern als einer der zahlreichen dämlichen Kalendersprüche missbraucht wird, aus denen die ihre Lebensphilosophie zusammenbasteln, ändert nichts an Valentins Hellsichtigkeit.

In Zeiten des Internet und der massenhaften Fotografie hat das Prinzip der jetzt massenhaften Nachahmung neue qualitative Wirkung gewonnen, von der Valentin noch nichts ahnen konnte. Neu ist die quantitativ verursachte qualitative Veränderung , die das Internet auf das traditionelle fotografische Nachahmungsgewürge der Hobbyisten wirken lässt. Die Nachahmung ist jetzt kein Phänomen mehr sondern eine fotografische und sogar eine gesellschaftliche Kultur geworden.

Um zu verstehen, welchen kulturelle Veränderung das Netz mit sich gebracht hat, empfehle ich zunächst die m. E. vorzügliche Analyse von Adam Soboczynki, 2009 in der ZEIT zu lesen:

http://www.zeit.de/2009/22/Der-Intellektuelle

Kein Stoff für den schnellen Konsum, aber wie zutreffend Soboczynkis Analyse ist, wird in dem von ihm als „Wurmfortsatz“ bezeichneten Kommentarfeld deutlich, in dem unter seinem Artikel haufenweise lobotomierte Pappnasen herbeiströmen, um in der Praxis genau das vorzuführen, was der Artikel theoretisch festgestellt hat. Alles das findet sich auch in der zeitgenössischen Hobbyfotografie, die heute primär im und durch das Netz lebt.

Wenn es früher der übliche Motivkanon der Fotoliteratur und –presse war, der in ewiger Wiederholung frei nach Karl Valentin reproduziert wurde, später dann Vorbilder aus der kommerziellen Bilderflut, so ist heute das Neue, das erst durch das Internet ermöglicht wurde, das Nachahmen der Nachahmer, das innerhalb der Mauern der Communities eine eigene Bilderkultur bzw. Ästhetik hervorgebracht hat.

Als Maßstab und Zielobjekt gelten die Werke, die sich die Community selbst als vermeintliche Spitzenerzeugnisse in ihr Showcase wählt, wie immer auch dieses Kabinett der Grausamkeiten sich nennt, zumeist als „Galerie“ geführt. Die Community stimmt darüber ab, ob ein Bild in die Galerie kommt. Was wiederum heißt, diese Bilder repräsentieren Geschmack, Skill und die ästhetische Werte der Mehrheit der Mitglieder. Was natürlich ein völlig lächerliches Konstrukt ist und so manches schlichte Gemüt tatsächlich annehmen lässt, Ästhetik werde per Abstimmung bewertet und deshalb sei Fotografie eine demokratische Veranstaltung. nur wer sich an die Normen der Mehrheit hält, wird auch erfolgreich sein in Der Hitparade der beliebtesten Fotos.

So sinnfrei, irreführend und fallweise geradezu grenzdebil dieser Mummenschanz erscheint, er macht für das Geschäftsmodell einer Fotoplattform durchaus Sinn.

Denn er ist, neben der Bandenbildung mit Buddyschleimerei, neben dem Kommentarunwesen mit seiner rein auf das Numerische reduzierte Bedeutung vom Anmerkungen eines jener höchst funktionalen Systemelemente, mit denen eine Community Kundenbindung erzeugt. (Sozialer Klebstoff, das Wort fiel bereits). Leider aber um den Preis, dass die ästhetische Orientierung der Mitglieder bewusst und systematisch gelenkt wird auf das Geschehen intra muros und die Community sich selbst zum Maßstab wird.
Die Community schafft sich ihre eigenen Leitbilder, per Abstimmung, und erschöpft sich in der Nachahmung ihrer Nachahmungen, vor allem jener, die ihre besondere Zustimmung finden. Und zwar nicht fotografisch, sondern thematisch und geschmacklich. Das kann jeder leicht verifizieren, der sich die Mühe macht, die diversen Ausstellungsräume zu inspizieren. Sie enthalten zu gefühlten 95% das, was man sich gemeinhin als Massenkitsch aus Postershops vorstellt. Und dort hängt nur, was sich gut verkauft.

Wie tief diese Kunst der Fototapeten, der Postkarten und der Herrenmagazine schließlich in den Hirnen derer verankert ist, die den ganzen Humbug schon lange genug mitmachen, ist an dem bekannten Typ von Forenbewohner zu erkennen, der sich offensichtlich berufen fühlt, den Bilderstandard der jeweiligen Community zu wahren. Diese Leute treten regelmäßig in den Foren der Communities auf, um immer mal wieder die rhetorische Frage zu stellen, ob denn inzwischen jeder Abfall „würdig“ (sic!) sei, um in der Community gepostet zu werden, und verweisen auf die entsprechenden störenden Bilder, die die besondere Ernsthaftigkeit und die Fotobegeisterung ihrer Meinung nach vermissen lassen, die dem wahren Amateur zu eigen sein muss. Auch die kriegen ihr Fett ab, die die Community angeblich als privates Familienalbum „missbrauchen“ (sic!), und sogar der Stab wird öffentlich kritisiert, weil er in der Abteilung Staff Choice seltsame Vorlieben für noch seltsameres Zeugs zeige, das der Community nicht „würdig“ sei und „da nicht reingehöre! (sic!). Je weniger Hirnmasse unter dem Schädeldach, mit desto mehr Propaganda kann man den Hohlraum eben auffüllen.

Das Maß an rigider Fokussierung auf ein primitives Gerüst aus fotografischen Vorgaben und vor allem das Maß an Intoleranz, das in seiner Aggressivität ein religiöses Ausmaß annimmt, ist erstaunlich. Ebenso die Art und Weise, mit welch dummdreister Selbstverständlichkeit die beschriebene Sorte benebelter Schwachköpfe in den entsprechende Threads ihre Maßstäbe, die lediglich die verinnerlichten Maßstäbe der Community sind, zum Maß der Dinge machen, und ohne zu zögern entscheiden, was „würdig“ ist, gezeigt zu werden und was nicht.
Ganz nebenbei bekommt da auch die Fotokunst ihr Fett weg, denn die gleichen Gralshüter des würdigen Bildes legen gerne auch fest, was Kunst sei und was nicht, was (also sie selbst) man als solche gelten lassen kann und was nicht

Das sind dann die ganz besonderen Situationen, in denen sich der ganze kommerziell angetriebene Schwachsinn der Communities in völliger Klarheit enthüllt und sichtbar wird, wie verhängnisvoll prägend er auf das ästhetische Empfinden seiner Mitglieder einwirkt.
Momente kultureller Finsternis, wo sich der vom Minderwertigkeitskomplex angetriebene Bildungs- und Kulturhass der Kleinstbürger Bahn bricht in totalitär gefärbten Ansichten, bei denen die Assoziation mit „Entartete Kunst“ unvermeidlich ist.

Zitate (Originaltexte):

  • „Wer als Mensch (oder als Künstler) keinen Wert darauf legt, anderen bzw. der Gemeinschaft zu „gefallen“, oder sich sogar bewusst bemüht, anderen zu missfallen, bringt sich damit auch in Gefahr, von der Gemeinschaft ausgeschlossen oder gar aktiv bekämpft zu werden.“

  • „Wer meint, seine Kunst sei nichts für die breite Masse, der sollte seine Werke nicht in öffentlichen Räumen oder hier ausstellen. Und wenn sich einer seine Kunst von der öffentlichen Hand subvensionieren lässt, muss er es sich auch gefallen lassen, dass die Öffentlichkeit ein Wörtchn mitreden will.“

  • „…Künstler? Ich denke, wenn einer was zu sagen hat, dann sollte er sich klar und unmissverständlich, aber auch ein bisschen diplomatisch ausdrücken….Und wenn einer eigentlich gar nichts von Bedeutung zu sagen hat, dann soll er einfach schweigen….

  • …Deswegen ist die Kunst auch zur Heimstadt der Nichtsnutze geworden, also von Menschen die sonst zu nichts nütze sind…

  • …Es hat natürlich jeder das Recht, „elitäre“ Kunst zu produzieren, … Aber dann soll er sich doch bitteschön an das entsprechende Publikum richten und den Rest der Menschheit damit in Ruhe lassen.“

Nazi? Stalinist? Pöbelpotentat im Bananenstaat?? Dies zur anschaulichen Darstellung, welches Gedankengut in Foren herumwabert. Kein Wunder, dass die Kunst schon vor langer Zeit dort die Flucht ergriffen hat auf Nimmerwiedersehen und sich im realen Leben verschanzt hat vor diesen Fotostammtischbrüdern.

Dass die ideologischen Grundlagen und ästhetischen Leitlinien einer Community nicht in Vergessenheit geraten, dafür sorgen also schon diverse lobotomierte Zombies als selbsternannte Qualitätsmanager und Ästhetikzensoren. Die feinsinnigen und scharfsichtigen Geister, genannt Admins, für die sich im richtigen Leben wohl keine angemessene Beschäftigung fand, können sich in diesem Umfeld nun aufopferungsvoll ganz ihrer einzigen Aufgabe widmen, nämlich regelmäßig all den hässlichen Dreck wegzumachen, der halt so anfällt. Und das ist alles, was dem Geschäft schadet. Depris, großmäulige Alkoholiker, sozial isolierte Arschmaden, chronische Streithammel, Dauerklugscheißer, Scheißhausphilosophen und -künstler und all das andere Gesocks, das die Foren heutzutage zu einem kommunikativen Höllenort machen, gehören allerdings nicht zum Dreck. Zum Dreck gehören alle Arten von Abweichlern von der großen Linie, und von denen die ganz besonders, die konkrete Kritik an diesem fotografischen Spektakel genannt Community äußern, erst recht wenn sie auf entlarvender Analyse basiert. Dreck sind auch die, die sich allzu lange und allzu böse über bestimmt Produkte äußern. Wenn das Produkte sind, mit denen die Betreiber eine „Partnerschaft“ eingegangen sind, kann es ganz schnell gehen. Ein dummes Wort und der Beitrag wird gelöscht, zumeist ohne Kommentar. Erster Strike im Buch der Sünden. Nach drei Strikes fliegt der User, zahlend oder nicht, raus aus der frohen Gemeinschaft. Dieser Umgang mit Kunden entlarvt, was die Plattformbetreiber selbst von ihren Kunden halten: Ein Idiotenvolk. Nerviger aber unverzichtbarer Bestandteil des Geschäfts.

Mag das auch weithin zutreffen ist es noch lange kein Grund, mit Kunden so ignorant zu verfahren. Und Kunden sind die User: Sie liefern Content und Traffic und damit sind sie Grundlage des Geschäftsmodells. Das zu verstehen übersteigt aber das Begriffsvermögen vieler User und so scheint es ihnen logisch, dass man da, wo man einen „kostenlosen“ Service nutzt, sich halt auch wie ein Idiot behandeln lassen muss. Sogar von ausgemachten Dummköpfen, die die frisch verliehen Würde des Gesinnungspolizisten innerlich zum Kaiser von China und Herren über Leben und Tod gemacht hat. Endlich selbst auch mal was zu sagen haben, das muss wohl der süße Lohn sein, für den man sich gerne zum unbezahlten ABV machen lässt.
Da ich weiß, dass dieser Blog auch von dem Haufen der ABVs und den Gesinnungspolizisten beobachtet wird, von dieser Stelle herzliche Grüße speziell an die weiblichen und männlichen Büttel der beschützenden Fotowerkstätten, die mich persönlich mit ihrem klotzdoofen Gehabe und Geschwätz in den letzten zehn Jahren genervt haben. Ich hoffe, es findet sich doch noch irgendwann eine gute Seele, die auch Euch von diesem unanständigen, würdelosen Drecksjob erlöst, dem ihr obendrein gar nicht gewachsen seid, wie sich immer wieder zeigt. Vielleicht im Elefantenhaus? Da gibt’s ganz große Haufen Dreck wegzumachen, und das wird sogar bezahlt.
Womit wir zum Summary kommen, und damit zum Anfang, zu der Überschrift dieses Blogs: Die massenhafte Nachahmung der Nachahmer, diesen weiteren Schritt weg von jeder Möglichkeit, sich fotografisch zu entwickeln, sie hat das Internet erst möglich gemacht. Und einige Plattformbetreiber forcieren diese Entwicklung, indem sie das Geschehen systematisieren und kanalisieren um darauf das Geschäftsmodell einer Werbeplattform für die Fotoindustrie aufbauen. Einige User verstehen das; die einen früher, die anderen später, und verlassen die Heimstatt der Verblödung, wenn sie nicht wegen unziemlichen Verhaltens, wider den Stachel lökend oder wegen allgemeiner Verunglimpfung des Fotostaats bereits gelöscht worden sind. Manche verstehen nichts, gehen trotzdem, weil es ihnen zu langweilig, zu anspruchsvoll, zu freudlos, zu verbissen oder einfach zu dumm wird. Der Abfluss all derer, die nicht in eine solche Community passen wollen, ist stetig und nachhaltig, die Win and Loss Analysen zeigen in machen Fällen schon negative Nettoergebnisse, wie ich höre. Kein Geschäftsmodell für die Zukunft. Die gehört anderen, moderneren Konzepten.

Der Haufen der ernsthaften, fotobegeisterten Fotoenthusiasten, die sich selbst als die Königsklasse und die Gralshüter des guten Bildes sehen, sind ein schrumpfendes Kleinsegment im zeitgenössischen Bilderspektakel, und wenn es ganz dumm kommt, werden sie am Ende eine von den Hipstern als sektenartige Nische alter Esel und wichtigtuerischer Künstlerkasper verachtet werden, an denen die „Moderne Fotografie“ berührungsfrei vorbeizieht. Es kommt ganz darauf an, was die Hersteller künftig als modern definieren für die, die sich immer bereithalten für das Neueste. Die (digitale) Revolution wird auch hier ihre Kinder fressen, das liegt in der Natur des Systems. Schon jetzt breitet sich die Meinung aus, dass „man“ als Mensch mit Hirn und Stil und Gefühl für Trends heute keine DSLR mehr kauft. Hier hat eine Entwicklung begonnen, von der man ahnt, wo sie einst enden wird, die Kamera als konzeptionell stilbildendes individuelles Accessoir.
Was am Ende vielleicht übrig bleibt, wird nicht der Mainstream der Amateurfotografie sein, sondern Teile der anderen Amateurfotografie, die jetzt schon Nische ist, jenseits der Mehrheiten.

Fortschreitende Kommerzialisierung bedeutet immer eine Art von stetiger Verblödung bis hin zum Absurden, sei es im Automobilbau, der Urlaubskultur oder im kulturellen Geschehen der Gesellschaft. Die Kunst hat sie weitgehend schon umgebracht, warum sollte es bei der internetbasierten Massenknipserei anders sein? Man kann diesen Kräften entkommen, wenn man die Widerstände dessen überwindet, was ich sozialen Klebstoff nannte. Das allerdings schaffen nur wenige, denn der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen und sucht die Kommunikation. Die sich und ihre Fotografie trennen können von der ganzen Betriebsmeierei des pseudosozialen virtuellen Raumes werden feststellen, es gibt Alternativen. Dazu komme ich später; um ehrlich zu sein, erst ganz an Schluss. Denn ganz ohne eine positive Aussicht will ich die durchgerüttelten und bereits jetzt schon teilweise deutliche Zeichen der Erschöpfung und der Ratlosigkeit zeigenden Leser nicht zurücklassen.