2c – Bilderwelten: Dokumentation und Ästhetik

Wer die Fotografie des ernsthaften, fotobegeisterten Mainstreams genauer und über längerer Zeit betrachtet, vor allem die Art, wie ihre Bilder kommentiert werden und wie alles andere kommentiert wird, was nicht ihrem Themenkatalog entstammt, macht die erstaunliche Entdeckung, dass die Vorstellung vom schönen Foto unmittelbar an das Thema bzw. das Motiv gebunden ist.
Was nicht weniger bedeutet als dass die ganze Vorstellung von fotografischer Ästhetik im Mainstream vorrangig assoziativ ist. Was wiederum bedeutet, man muss ein Hundebaby fotografisch schon schwer versauen, damit es nicht mehr als schön durchgeht. Und genau das kann man auch beobachten, wenn man in bestimmten Communities deren Keller der Spaßfotografie durchstöbert.

Es spielt also keine Rolle, wie kenntnisreich und sorgfältig eine Fotografie gestaltet ist, das falsche Thema schon oder das falsche „Motiv“ oder gar seine offensichtliche Abwesenheit allein genügen, um das Bild als nicht schön bzw. banal auszusortieren. Eine einigermaßen schockierende Entdeckung, ist dies doch die primitivste existierende Vorstellung von „Schönheit“. Es gibt keine Schönheit, außer der, die schönen Dingen per se anhaftet? Arthur Cravans Zitat im Beitrag 2b – Bilderwelten: Das Schöne und das Banale (Die Idioten sehen das Schöne nur in den schönen Dingen) trifft hier punktgenau. Ohne jemand einen Idiot nennen zu wollen, so ist zumindest diese Vorstellung von Schönheit allerdings eine Vollidiotische. Wie kann sie überhaupt entstehen?

Ein Verständnis für Bildästhetik ist in erster Linie etwas, das erlernt werden muss. Talent hilft, ersetzt aber selten diesen Prozess der Aneignung. Wobei „erlernt“ auch schon heißen kann, dass jemand nur lange genug qualitativ hochwertige Bilder betrachten muss, um schließlich irgendwann zu verstehen, was Bildästhetik wirklich ist.

Heute aber, in den Zeiten von DSDS, wo die Selbstüberschätzung eher als optimistische Lebenseinstellung und das Lernen als obsolet gewordener Teil im Erfolgsprozess angesehen wird, ist die rein assoziative Auslegung von Schönheit die Regel, die Ausnahmen bestätigen das nur.

Es ist verständlich, das der dokumentarische Ansatz der Fotografie in einer solchen Umgebung keine Chance hat, es sei denn, er ist spektakulär, was chez les abrutis auch als schön durchgeht. Bialobrzeski mit seinen großformatigen Bildern aus China hat da eher eine Chance als Julia Schulz-Dornburg mit ihre spanischen Bauruinen. Ein simpler User XY allerdings, der das Gleiche tut, vielleicht sogar in vergleichbarer Qualität, allerdings ohne den Schutz des Respekts, den eine Buchveröffentlichung per se genießt, muss froh sein, von einigen Wissenden wenigstens etwas Anerkennung einzuheimsen, um so nicht ganz unterzugehen in dem in den notorischen Communities üblichen Schwall ignoranter Beleidigungen und angedrohten Ausweisungen: „Dafür ist diese Community nicht da, muss hier eigentlich jeder Müll gepostet werden ??

Summa summarum: Schön ist das Bienchen auf dem Blümchen, der tauchende Eisvogel, Struppi als Baby und das schwarze Bild mit einem hell glühenden Punkt, das als Sonnenuntergang in Sylt angeboten wird. Schön ist auch jeder Akt einer attraktiven Person, egal wie ungestalt er ausfällt. Der Aldi-Parkplatz aber wird nie schön sein, kann es nicht sein, und sei seine Abbildung noch so kenntnisreich und sorgfältig angefertigt, dass auch ein gewisser Herr Baltz oder Renger-Patzsch seine Freude daran hätte. Das ist eine idiotische Vorstellung von Schönheit, vor allem eine bildungsferne. Die Erfahrung über Jahrzehnte zeigt auch, dass alle Fotografen die Bemerkenswertes und Herausragendes schaffen, zu irgend einer Zeit ihres Lebens eine ästhetische Erziehung genossen haben, wo und auf welche Art dies auch immer geschehen ist.