6b – Amateurfotografie jenseits der Mehrheiten: Technik jenseits der mehrheitlichen Glaubensbekenntnisse

Dieser Beitrag wird relativ kurz, denn zum Thema Technik gibt es weit weniger zu sagen, als der Mainstreamknipser annimmt, dessen fotografische Diskussionslandschaft von diesem Thema beherrscht wird. Es gab hier schon den Fall, dass einer, der die ersten fünfzehn Beiträge des Blogs wohl eher diagonal gelesen hatte, anfragte, was denn nun meiner Klugscheißermeinung nach die richtige Kamera sei. Fuji doch wohl? Sonst bleibe ja nichts. Es ist nicht zu fassen, wie man einige tausend Zeilen auf eine Frage eindampfen kann, um die es hier niemals und nirgendwo jemals ging.

Die Suche nach der richtigen Kamera wird für diese Hobbyisten immer im Irrtum enden, weil sie, desorientiert vom großen Spektakel der Werbung und den „urban legends“ der Hobbyisten immer die falschen Fragen stellen. Im Grunde ist das nur möglich, weil der Mehrheit das Bild selbst eigentlich scheißegal ist. Ihr geht es nur um ein vermeintlich geeignetes Werkzeug, mit dem man den ganzen Quatsch nachmachen kann, der gerade angesagt ist. Dazu passt am besten die angesagteste der im Moment angesagten   Kameras. Und damit ist die Sache erledigt

Die nachfolgenden Positionen formuliere ich deshalb als Antworten auf eine fiktive Anfängerfrage nach der „richtigen Kamera“, wohl wissend, dass solche Ratschläge schlussendlich meist in den Wind geschlagen werden, weil sachferne Emotionen den Kauf bestimmen. Ungefähr so, wie Geländewagen mit dreihundert PS als Kindershuttle auf Kurzstrecken  hart dienen müssen, mit dem Argument, die Kinder sollten mit größtmöglicher Sicherheit transportiert werden. Bei dem Auto bleibt es einfach eine luxuriöse Statusidiotie, während der Hobbyist an seinem falschen Equipment leidet. Es tut meist nicht, was es soll.

Die erste Kamera ist so gut wie immer falsch gewählt , wie könnte es auch anders sein in einer solchen durchkommerzialisierten und von der Werbung kontrollierten Umgebung, wie sie das Internet heute für die Hobbyisten schafft.

Manche lernen später daraus, die meisten aber nicht. Sie bleiben bei ihren Irrtümern, bis die Altersweisheit und -milde sie (vielleicht) ereilt. Wenn sie nicht vorher schon von der Fahne gegangen sind, weil die Langeweile am eigenen Imitsching sie übermannte. Tun wir also so, als ob die folgenden Information von Anfängern berücksichtig würden, eine rein hypothetische Ausgangslage.

Der wichtigste Punkt: Equipment muss nicht „universell“ sein in dem Sinn, dass alle Brennweiten von 11 bis 1200 mm analog KB „abgedeckt“ sind! Das ist Schwachsinn. Der Spruch von der Brennweitenlücke deshalb natürlich ebenfalls.
Alles eine Legende der Werbung, auf die fast jeder Anfänger reinfällt. Die Forderung wird begründet mit den damit eröffneten „vielfältigen kreativen Möglichkeiten“, die eine derart universelle Ausrüstung bietet,  was mit der Anschaffung einer DSLR (Königsklasse!) und zwei preiswerten Dunkelzooms mit Plastiklinsen mündet, alles im Set, bevor das erste Bild gemacht wurde! Das Problem ist alt. Schon in der Vor-Internet-Zeit, sogar vor der Zoom-Zeit gab es den Begriff des Reportage Set: 35 mm, 50 mm und 75- 90 mm. Mindestens eins davon stellte sich mit der Zeit bei jedem als überflüssig heraus.

Die Werbung und die Heerscharen gänzlich benebelter Nachplapperer in den Foren verbreiten das Gerücht, man müsse technisch für alles gerüstet sein, denn dann habe man die Chance, möglichst viele interessante und des Hochladens würdige Bildchen (hehe) zu machen. Das grenzt nicht an Idiotie, das IST Idiotie und eine enorm grobe vorsätzliche Irreführung obendrein. Denn erstens kann man mit einer solchen Ausrüstung entgegen der Werbung längst nicht alles machen und zweitens kann man zwar viel damit machen, aber das meiste nicht ohne Einschränkungen. Und drittens stellt schon bald heraus, dass man gar nicht alles machen will. Die Exifdaten nach einem Jahr mal statistisch auf Brennweitengebrauch zu untersuchen ist interessant und meist sehr aufschlussreich, was den tatsächlichen Brennweitenbedarf angeht. Nur wenige helle Köpfe allerdings kommen auf diese Idee. Der Rest spart, um „Lücken“ in seiner Objektivpalette zu füllen.

Besonders gemein ist dieser Quatsch deshalb, weil er bei einem Anfänger auf fruchtbaren Boden fällt, der eigentlich selten konkret beschreiben kann, warum er jetzt plötzlich fotografieren will und der sich „eigentlich“ für alles interessiert, was thematisch so vorkommt und was er in den Foren schon gesehen hat. Vom Nackichbildchen seiner Freundin bis zum Löwen in freier Wildbahn ist alles erst mal prinzipiell “interessant“.

Man wählt seine neue Kamera aber sinnvoll nicht danach aus, was man so alles prinzipiell interessant findet sondern einzig danach, was man eigentlich konkret damit machen will. Deshalb lautet die Antwort auf die Frage, „Hilfe, welche Kamera kaufen???“: „Was willst Du -ganz konkret- fotografieren?“. Der Anfänger weiß es ja aber nun nicht und empfindet diese Frage deshalb als befremdlich und als nicht hilfreich und lässt seinen Forenthread „Hilfe, welche…???“ schon bald im Stich, enttäuscht von der Vielzahl von unterschiedlichen meist unbrauchbaren Ratschlägen. Folgerichtig wird die erste Kamera nur durch Zufall die richtige sein.

Wenn man berücksichtigt, dass der prinzipiell an allen Sujets interessierte Anfänger nur durch denken, fotografieren und wieder denken (das heißt: Dialektik von Theorie und Praxis) herausfinden kann, was ihn wirklich interessiert, kann der einzig gute Rat nur lauten:
Eine möglichst preiswerte Lösung, die man ohne große Verluste wieder verhökern kann, für den Fall, dass sie sich nach einiger Zeit tatsächlich als nicht ausreichend herausstellt.

Was die Industrie aber unter dem Label „Einsteiger“ anbietet, ist (wieder mal, wen wundert es) denkbar schlecht geeignet, denn es sind oft weitgehend automatisierte Billigknipsen für Tante Eulalia und nicht für einen angehenden Winogrand. Grundsätzlich gilt deshalb in allen Fällen:

Gehäuse
Es muss keine DSLR oder Systemkamera sein! Wechselobjektive sind für den Anfänger nur ein weiteres, ebenso vermintes Gelände wie das der Kameras. Woher soll er wissen, was er braucht? Gute Linsen sind sehr teuer die kauft man nicht im Dreierpack.

Die SLR ist ein Fetisch aus alten Zeiten, der im digitalen Zeitalter fortlebt. Und wenn sie vor fünfzig Jahren vielleicht auch für den Einsteiger die beste Wahl war, heute, beim erreichten Leistungsstand der Digitaltechnik, ist sie es nicht mehr. Nur ein Statussymbol, das ist sie immer noch. Aber nur bei Leuten, die glauben. Statt zu wissen. Und zu den verirrten armen Gestalten will ja keiner gehören. Eine kleine Spiegellose, eine Bridge oder gute Kompaktkamera tut es ebenso,  unter Umständen nicht nur für den Anfänger. Um festzustellen ob man wirklich ein f1,4/35 an Vollformat braucht, sollte man ein paar Jahre vergehen lassen. Die fest eingebauten Zooms haben auch Vorteile bzw. haben einige Probleme eben nicht, die es bei Wechselobjektiven und Spiegelreflexen so geben kann. Es gab schon (altersweise) Knaben, die haben sich nach 40 Jahren von dem SLR System getrennt , um mit einer oder zwei Bridge oder Kompakten weiterzumachen. Dass großkotzige DSLR-Besitzer Bridge- und Systemkameras als Rentnerknipsen bezeichnen, kann man übergehen.

Sucher:
Sein muss allerdings unbedingt ein brauchbarer Sucher. Kameras ohne Sucher sind ein Spielzeug für Leute, die gerne mit ausgestreckten Armen auf ein spiegelndes Display starren. Das Display muss, in Zeiten des HD-Video, wenigsten klappbar, besser schwenkbar sein. Alles andere ist in der Praxis ein ärgerlicher Müll bis hin zur Unbrauchbarkeit! Wer es zum Knipsen oder Filmen nicht benutzt, dem kann’s allerdings egal sein.

Blitz:
Ein Einbaublitz muss vorhanden sein. Die Kunst des Fill-in-Flash ist zwar weitgehend vergessen, aber das heißt nichts. Man braucht sie immer noch. Sogar beim Urlaubsbildchen.
Dass Profikameras keinen Einbaublitz und kein Klappdisplay haben hat gute Gründe, die aber keinen Amateur interessieren. Außer denen, die eine Kamera kaufen, weil sie für einen Profi gehalten werden wollen. Bei denen ist aber das Licht sowieso aus, das ist die Narrenkaste. Ach ja, und eine Kamera ohne Hotshoe ist auch ein Sparbrötchen. Nicht immer reicht der Einbaublitz.
Ich sprach kürzlich mit einem Profi, der soweit ging zu sagen, den Amateur erkenne man daran, dass er den Blitz meidet. Entweder weil er ihn nicht beherrscht, oder weil er der dämlichen Attitüde anhängt, Blitz sei per se eine fotografische Sauerei. In Zeiten von ISO 25000 eine sich ausbreitende Dummheit. Allerdings auch schon eine alte, gewachsen bereits in den den Siebzigern, als der das Credo des Available Light zur Religion wurde, weil man damit die neuen „Lichtriesen“, pfundschwer und Tausende teuer, unters Volk bringen konnte. Den Profis war’s Wurst, praktisch kein Reporter arbeitete derweil ohne Blitz.

Einstellmöglichkeiten:
Eine seriöse Kamera für Anfänger muss voll manuell zu betreiben sein und braucht manuelle Kontrollen, Drehknöpfe oder Objektivringe. Je mehr man manuell einstellen kann, desto besser. In Menüs versteckte Controls sind unbrauchbar für den Anfänger, und für den Altgedienten auch.

Objektive:
Brennweiten von 1200 mm braucht keiner, außer für die Löwensafari und die Vogiportraits im Zoo. Ein Zoom 28-120mm analog KB reicht für den Anfang, es kann lichtstärker und preiswerter sein als die Supertele Monster und von besserer optischer Leistung. Obendrein leichter und kompakter. Eine gute Portability ist bedeutsam für einen Anfänger, denn er sollte seine erste Kamera möglichst oft mitnehmen.

Sensorgröße:
Entgegen der Sage kommt es weniger darauf an, wie viele Pixel drauf sind, sondern darauf, wie groß sie sind. (6 µm im Idealfall)

Siehe weiterführende Erhellung:
http://www.docma.info/blog/die-50-megapixel-vollformat-luege/

Davon hängt primär Rauschen und Dynamik ab. Was die Druckqualität angeht, so reichen am unteren Ende schon 10MP auf einem 1 1/7 zoll Sensor bei 80 bis 200 ISO für sehr gute Ausdrucke bis 20×30 cm, teilweise auch für 30×45 cm, und 16MP auf APS-C oder MFT sind folgerichtig besser als 20 MP auf einem 1“ Sensor. Und so erscheint es verständlich, dass die echten Profikameras nicht besser sind, weil sie mehr MP haben, sondern weniger davon, aber auf einem größeren Sensor  Was Pixelgröße und -abstand verbessert. Hinzugefügt sei, dass die im Magazinjournalismus eingereichte Dateien 8-12 Mp groß sind, was dem Profi mit 16 MP noch etwas Luft zur Korrektur lässt.

Wer gleich mit hohen ISO Werten auch größere Drucke anfertigen will, muss mehr investieren. Wer will das aber als einer, der noch gar nicht fotografieren kann?? Er sollte sich ernsthaft befragen, ob es wirklich das ist, was er unbedingt als erstes machen will. Er wird damit sowieso auf den Bauch fallen.

Soviel zur Basisorientierung. Ein kleines Wertegerüst zur Relativierung des Werbegeschwafels. Die Physik bleibt immer die gleiche, Zauberei gibt es nicht. Hohe Pixeldichte bedeutet Rauschen, was hinterher auf Kosten der Detailtreue überpoliert werden muss. Es gibt Hersteller, die sich an die Physik halten statt an die Poliererei. Und die sind erst einmal als seriöser anzusehen als die Zauberer, die den Pixelwahn immer neu füttern.

Auch an dieser Stelle sei noch einmal auf den subversiven Artikel von thoMas verwiesen:

http://photoscala.de/Artikel/Einlassungen-zur-Bildqualitaet

Es ist auch empfehlenswert die Kommentare zu lesen. Sie demonstrieren den Grad der geistigen und fachlichenVerwüstung, den die Werbung mehrheitlich in den Köpfen der Konsumzombies angerichtet hat auf das Anschaulichste. Wehe dem Arglosen, der sich von solchen Gestalten seinen Rat holt. Das wird teuer.


Kameragröße:
Nach persönlichem Bedarf, wie alles andere. Die beste Kompakte nützt nichts, wenn ihre Bedienung mit großen Pranken zur Fummelei wird und die große DSLR nützt auch nichts, wenn man eine unauffällige und gut portable Kamera braucht. Also vorher nachdenken, nicht hinterher Fluchen. Fluchen kostet in der Fototechnik immer Geld. Also Prioritäten nach eigenem Bedarf setzen und seinen eigenen idealen Kompromiss festlegen. Nicht andere Leute in Foren fragen, was besser sei. Die sagen nur, was für sie selbst das Beste ist, und was „die Zukunft ist“, also der nächste Dernier Cri, und das interessiert nicht.

Zu guter Letzt:
Wenn alles geklärt ist, ganz am Schluss noch das Wichtigste und schlussendlich das Entscheidende! Niemals etwas kaufen, das man selbst nicht in der Hand hatte! Man muss seine Kamera mögen! Als einen durchdachten Kompromiss in ALLEN ihren Eigenschaften und deshalb als das persönliche Optimum. Auch in der Ergonomie. Was andere für ihr Optimum halten, ist deren Sache. Ganz ohne denken geht es einfach nicht; Fragen, Trial and Error, wieder fragen, dieser Prozess kann zu einer jahrzehntelangen Reise durch die Irrtümer anderer werden.

Es ist nicht so, dass es in Foren keine Leute gäbe, die auch richtige Ratschläge erteilen, nur sind diese immer unter in einen riesigen Haufen Blödsinn untergemischt, und der Ratsuchende hat ja als solcher kein Mittel, Richtiges von Bullshit zu unterscheiden. Das gilt übrigens für alle Arten von Hilfeersuchen, die man in Foren postet. Am Ende ist es sicherer sich selbst zu belesen. Wer dafür zu faul ist, bezahlt später teuer. Von allen technischen Diskussionen, die nicht strikt bedarfs- bzw. ergebnisorientiert geführt werden, muss man sich fernhalten, der Anfänger sogar unbedingt und in jedem Fall. Für ihn steht mehr auf dem Spiel als Zeitverschwendung durch das Lesen von Blödsinn.

Nachtrag:
Zuletzt -es geht ja hier um Technik jenseits der Glaubensbekenntnisse- noch einige Worte zu Film. Es gibt in der Tat Fotografen, die Jahrzehnte mit Film fotografiert haben, die vergleichen können und die digitale Kameras und das digitale Postprocessing des immateriellen Bildes ablehnen. Sie argumentieren nachvollziehbar, dass das entmaterialisierte digitale und das chemische Analogbild nichts mehr miteinander zu tun haben, außer dass es bildgebende Techniken sind.
Das ist aber kein Glaubensbekenntnis. Denn diese Leute glauben nichts, die wissen etwas! Der entscheidende Unterschied. Und Höhlenbewohner sind sie auch nicht. Das ist zu respektieren, vor allem von vorlauten Digital Natives, die keinerlei Ahnung von Film haben.

Wer nicht ganz so grundsätzlich sein mag, nutzt beides. Naturlandschaften, SW-Bilder grundsätzlich und Portraits oder Akt würde ich nie digital machen. Technik, Architektur, Sport hingegen nie analog. Manche geben auch der Farbe wegen dem Film in manchen Fällen den Vorzug, eine Frage der geschmacklichen Orientierung. Was Digitalkameras so an JPEGs auswerfen, kann man unbearbeitet selten verwenden. Auch kleine Kameras für die Hosentasche sind digital einfacher zu verwenden. Wer allerdings je die Ergebnisse eine Rollei 35S mit Zeiss Linse gesehen hat, gibt ihr vielleicht doch den Vorzug.

Schlecht: Die neuen Duka-Planscher. Digital Natives kaufen sich irgendwo eine alte SLR weil sie auch mal was mit dem „oldschool look“ machen wollen. Fragen dann in den Foren als erstes, was für ein Film da rein muss, als zweites wie er eingelegt wird und als drittes ob auch in diesen Kameras die Empfindlichkeit steigt, wenn man am ISO-Rad dreht. „In der Duka braucht man eine Stoppuhr und ein Thermometer?? Echt jetzt?? Ich krieg es auch so hin.“ Die Ergebnisse sehen entsprechend aus.
Ein Fall, bei dem die Mentalität des grundsätzlich unvorbereiteten, wissensbefreiten Herangehens, das die Werber mit ihren digitalen Einsteigerknipsen heranzüchten, sich auf besonders drastische und groteske Weise entlarvt. Die Oldschool-Bürschlein sollten sich ein Beispiel nehmen an anderen jungen Leuten und deren systematische Herangehensweise an die analoge Fotografie, die gibt es auch. Eher selten, aber es gibt sie. Es sind ja nicht alle völlig verblödet.